Für die Rente 70 oder noch mehr Jahre zu warten setzt eigentlich voraus, dass man für seine Arbeit eine Leidenschaft hat. Doch natürlich kann es auch andere, praktischere, Gründe für eine Verlängerung der Arbeitszeit geben. Vielleicht würde die zu erhaltene Rente nicht für die eigenen Ausgaben aufkommen, oder man ist als Selbstständiger tätig und hat den Aufbau einer eigenen Altersversorgung zu lange aufgeschoben.
Wie dem auch sein. Die Entscheidung den eigenen Renteneintritt herauszuzögern, sollte gut überlegt werden, denn sie hat Folgen, für sowohl die Höhe der gesetzlichen Rente, als auch den Bezug von anderen Vorsorgeprodukten. Wie so viele Dinge und Entscheidungen für den Ruhestand, ist auch die Rente mit 70 eine sehr persönliche Wahl, deren Sinn und Nutzen fast ausschließlich von den Interessen und der Situation des Betroffenen abhängen.
Rente 70: Ist es möglich?
Diese Frage lässt sich einfach beantworten: Ja, es ist möglich. Für den Bezug einer gesetzlichen Altersrente gibt es zwar ein Mindest-, aber kein Maximalalter. Wer möchte, darf auch über das Regelalter von 67 Jahren hinaus weiterarbeiten. Ob man dann mit 70, 85 oder überhaupt nicht in Rente geht, ist jedem selbst überlassen.
Besonders erwähnenswert ist, dass ein nicht in Anspruch nehmen der Rente zu einem beschleunigten Wachsen des eigenen Rentenanspruchs führt. Zum einen durch die Einzahlung von weiteren Beiträgen, vor allem aber auch durch die Nutzung eines speziellen Förderungsfaktors. Für jeden Monat den die Rente später in Anspruch genommen wird als eigentlich möglich, wächst der Anspruch um 0,5 % weiter an. Dies ergibt pro Jahr eine Erhöhung der späteren Rente um sechs Prozent.
Wer statt mit 67 die Rente erst mit 70 bezieht, erhält somit eine mindestens um 18 % höhere Auszahlung! Bei einigen Fällen kann dies bereits den Unterschied zwischen einer offenen oder einer geschlossenen Rentenlücke ausmachen.
Rente 70: Nutzen und Alternative
Der Nachteil bei dem Ganzen ist, dass natürlich auf drei Jahre der Rentenauszahlung verzichtet wird. Um dieses Geld wieder wettzumachen, muss die Rente lange genug bezogen werden. Hier ist die dazugehörige Berechnung:
3 Jahre ohne Rente bedeuten dreimal Verzicht auf 100 % der Summe: 3*100 %= 300 %
Dafür ist die zukünftige Rente 18 % höher: 300 /18= 16,6
Damit man einen Profit aus seiner Zurückhaltung ziehen kann, muss man folglich mehr als 16 Jahre lang Rente beziehen. Erst im Alter von 86 Jahren zahlt es sich aus.
Weiterarbeiten
Man sollte es sich gut überlegen, ob dieses Vorgehen wirklich das Passende ist. Für die meisten Bürger dürfte es die bessere Entscheidung sein, die Rente regulär zu beziehen und dabei weiterzuarbeiten. Ab dem erreichend der Regelaltersgrenze darf man im unbegrenzten Maße Geld hinzuverdienen, ohne dass es die Rente selbst verringern würde. Man darf sich sogar aussuchen, ob man auf die eigenen Rentenbeiträge verzichtet oder sie weiter abführen will. Bei der zweiten Option erhöht sich die eigene Rente noch während der Auszahlung! Dafür wird auf den Zuschlag von 0,5 % pro Monat verzichtet, doch gerade bei Arbeitnehmern, die aus finanziellen Gründen weiterarbeiten, spricht wohl mehr für dieses Vorgehen.
Rente 70: Auswirkungen auf andere Renten
Besondere Vorsicht ist beim Umgang mit den staatlich geförderten Rentenprodukten Rürup, Riester und der betrieblichen Altersvorsorge geboten. Theoretisch lassen sie sich alle auch unabhängig von der gesetzlichen Rente auszahlen, solange das Mindestalter erreicht wurde. In der Realität wird aber fast immer der eigentliche Rentenbeginn als Zieldatum genannt.
Wer bis 70 arbeiten möchte, ist somit vor die Entscheidung gestellt, wie mit diesen Verträgen zu verfahren ist.
Zusatzeinkommen oder Zinseszins
Ein Auszahlen der angesparten Summen kann als zusätzliche Einkommensquelle dienen und dabei helfen eventuell noch bestehende Kosten und Schulden abzutragen, bevor man in den Ruhestand geht. Andererseits bedeutet eine spätere Fälligkeit auch einen längeren Anlagehorizont. In den 3 bis 8 weiteren Jahren, in denen die Vertage länger laufen, können durch den Zinseszinseffekt und die Wiederanlage von Erträgen die Vermögen und damit die Rentenansprüche deutlich vergrößert werden.
Rente 70: Private Renten und Investments
Ähnliches gilt auch für die privaten Rentenversicherungen. Ab 62. kann man von der 12/62-Regel Gebrauch machen, sofern der Vertrag alt genug ist. Ein Zwang besteht hierfür aber nicht! Auch eine private Rente darf länger laufen und eine größere Summe erwirtschaften. Wer dennoch seinen Vertrag ausgezahlt haben möchte, solle auf die eigene Steuerrate acht geben. Die Erleichterung der 12/62-Regel besteht darin, statt der pauschalen Abgeltungssteuer den persönlichen Steuersatz für einen Teil des Gewinnes verwenden zu können. In den allermeisten Fällen führt dies zu einer deutlichen Verringerung der Abgabenlast. Wer jedoch zu den Besserverdienenden zählt, läuft Gefahr, sich an den Abgeltungssteuersatz anzunähern. Die von der Versicherung erhofften Vorteile werden dann deutlich geschmälert.
Eigene Geldanlagen
Für länger Arbeitende können auch Investitionen interessant sein, die unabhängig vom Alter und er gesetzlich Rente ein Zusatzeinkommen gewähren. Mietimmobilien, dividendenstarke Aktien und einige Formen von Anleihen ermöglichen es, den Ertrag des eigenen Vermögens zu nutzen, ohne auf rechtliche Vorgaben, Altersgrenzen und die staatliche Rente warten zu müssen.